"Ein Licht im Fenster" - geht auch unter CORONA

Veröffentlicht am 08.11.2020 in Presse
 

Traditionell gedenkt die SPD Münzenberg den Opfern der Geschehnisse der so genannten „Reichspogromnacht“ von 09. auf den 10. November 1938 mit einem Gedenkgang. In diesen Tagen jedoch ist das nicht gefahrlos möglich, so dass auf eine Präsenzveranstaltung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie leider verzichtet werden muss. Dennoch ist ein Gedenken an die menschenverachtenden Ereignisse in jenen Tagen unmittelbar vor dem schlimmsten aller Kriege möglich: Die SPD Münzenberg bittet die Bevölkerung, am Abend des 9. November um 18:30 Uhr ein „Licht ins Fenster“ zu stellen, um ein sichtbares und versöhnliches Zeichen auszusenden! Es kostet wenig Aufwand, eine Lichtquelle zu besorgen und durch das Fenster anderen sichtbar zu machen.

Was heute in der kalten und dunklen Jahreszeit womöglich ein wenig anheimelnd wirkt, im Übrigen gar kein so schlechter Effekt, hat einen sehr ernsten und weitreichenden Hintergrund! Auch in unserer Gegend waren die Machenschaften der rassistischen und hasserfüllten Politik der Nationalsozialisten zu spüren: Die Synagogen in Gambach (Hauptstraße 6) und Münzenberg (Am Junkernhof 13) wurden durch Schlägertrupps aus der näheren und weiteren Umgebung geschändet und zerstört. Doch nicht nur die Bethäuser unserer jüdischen Mitmenschen, die bis dahin stets ihrer Heimat und ihrem Vaterland zugewandt, treu und dienlich waren, wurden zerstört – auch die Wohnstätten jener Menschen waren das Ziel ungezügelten Hasses! Ganze Wohnungseinrichtungen flogen unter lautem Gejohle auf die Straße und persönliches Eigentum wurde gestohlen und vernichtet. Die jüdischen Mitbürger wurden verhaftet und in örtliche Arrestzellen gesteckt oder gleich in die Konzentrationslager deportiert, wie von einigen Überlebenden später überliefert wurde. Bei einigen Einheimischen wuchs jedoch der Zweifel an der Rassenpolitik der damals herrschenden „Arier“, und sie stellten sich sogar den Schlägertrupps mutig entgegen mit dem Ergebnis, das am 10. November 1938 an einem Gambacher Hoftor in großen schwarzen Lettern zu lesen stand: „Judenknecht – wir warnen dich!“.

Dieser fast verwegene Mut Einzelner hielt zwar Systematik und Logik der damaligen Rassenideologie und Kriegstreiberei nicht auf, hat es aber auf jeden Fall verdient, immer wieder erwähnt zu werden – um nicht dem Vergessen anheim zu fallen. Genau wie die Ereignisse in jener Nacht nicht dem Vergessen anheimfallen dürfen! Denn die „Reichspogromnacht“ war in mehrerer Sicht ein elementares Signal für die betroffene jüdische Bevölkerung einerseits, hier keine Zukunft mehr zu haben, und andererseits an die bereitwillige und nationalsozialistisch eingestellte Gefolgschaft jener größten Polit-Verbrecher, jetzt erst richtig loslegen zu können. Für die große schweigende Mehrheit und Mitte der Bevölkerung war es das offene Zeichen, was noch passieren kann und wird –auch mit denen, die praktisch und gedanklich Widerstand leisten.

Umso mehr müssen Generationen unserer Zeit, die nach dem Zweiten Weltkrieg ganz genau wis- sen (können), was Hass, Rassismus und Xenophobie verursachen, dafür sorgen, dass diese Geschehnisse von damals nie mehr vergessen werden – um die gleichen Fehler nicht noch einmal zu begehen! Alle Nachgeborenen und jene, die damals im Kindesalter waren, haben keine Schuld – aber die sichere Verantwortung dafür, dass keine Wiederholung stattfindet! Immer wieder wird dem objektiven geschichtlichen Faktum entweder mit Aufrechnung „Was haben denn die Russen mit unseren Soldaten und Frauen gemacht?“, oder mit Genervtheit begegnet. „Es muss doch mal Schluss sein mit dem Kram, immer müssen wir Deutsche herhalten!“. Auch hören wir heute schon wieder: „Das wird man doch mal sagen dürfen...“ – nein, darf man nicht: Erst radikalisieren die Gedanken, dann die Sprache – und schlussendlich die Taten! Es sind heute wieder Dinge „sagbar“, die in der Jugend und Schulzeit des Verfassers ein „no go“ waren. Die sozialen Medien wie Facebook, Instagram, WhatsApp und andere legen beredtes Zeichen davon ab, wie leicht und wie schön es sich in der anonymen Öffentlichkeit hassen lässt – Morddrohungen inbegriffen...!

Gerade in unseren Tagen, wo Autokraten in vielen Ländern die politischen Systeme wieder zu „diktieren“ beginnen, wo Kriegs- und Hungersnot-Flüchtlinge wieder auf Ablehnung stoßen, und wo Presse- und Meinungsfreit erneut eingeschränkt werden, müssen uns allen doch alle Alarmglocken schrillen: Das hatten wir doch schon mal...! Wenn die schlimmsten 12 Jahre in der deutschen und Menschheitsgeschichte, die eigentlich „1000 Jahre“ dauern sollten, ein „Vogelschiss in der Geschichte“ waren, dann aber aufgepasst! Genau deswegen bittet die SPD Münzenberg alle Menschen in der Stadt Münzenberg und drumherum: Zeigen Sie mit dem „Licht im Fenster“ am kom- menden Montagabend Flagge für ein Menschen zugewandtes, verständnisvolles und demokratisches Miteinander in unserer Heimat! Die Namen der Opfer auf der Tafel am alten Rathaus in Gambach, die mangels Stolpersteine in den anderen Stadtteilen stellvertretend für alle Opfer des Nationalsozialismus in der Stadt Münzenberg stehen, sprechen ein eindringliche Sprache. Ein Blick in die Geschichtsbücher genügt - oder fragen sie Ihren Geschichtslehrer oder Heimatpfleger!

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